Tanz-Demo „One Billion Rising“ fällt in Heidelberg erneut coronabedingt aus – aber die Beratungsangebote für Betroffene sind da!
Tanzdemo „One Billion Rising“ muss erneut ausfallen
Heidelberger Frauenverbände berichten von steigenden Zahlen in der Pandemie. Von Julia Schulte. RNZ online, 14.02.2022, 06:00 Uhr
Heidelberg. Ein großer Umzug, eine einstudierte Choreografie, tanzende Menschen in der Hauptstraße – so sähe es eigentlich an diesem 14. Februar anlässlich der Tanzdemo „One Billion Rising“ (siehe Hintergrund) in der Altstadt aus. Da Corona dem Event aber auch dieses Jahr einen Strich durch die Rechnung macht, hat die Frauen AG zum Online-Gespräch geladen, um auf die Situation von Frauen aufmerksam zu machen und zu schildern, wie sich diese in den verschiedenen Arbeitsbereichen während der Pandemie verändert hat.
Bei dem Austausch dabei war auch Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner, die den erneuten Ausfall der Tanzdemo bedauerte: „Es ist einfach nur schade, dass es dieses Jahr wieder nichts wird, denn es ist immer ein toller Moment, wenn auf der ganzen Welt für dieses so wichtige Thema getanzt wird.“ Das Tanzformat spreche viele Menschen an, wodurch eine ganz besondere Form der Solidarität entstehe, ergänzte Martina Weihrauch, Vorsitzende der Frauen AG und Chancengleichheitsbeauftragte für die Beschäftigten der Uniklinik. Die Demo am Valentinstag zeige zudem ganz bewusst eine Diskrepanz auf: „Frauen sollen an diesem Tag Blumen bekommen – aber gleichzeitig sind sie in besonderem Maß von Gewalt betroffen“, so Weihrauch.
Bei den anschließenden Berichten zeichneten die Teilnehmerinnen ein düsteres Bild. Renate Kraus vom Frauennotruf gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen erzählte, dass die Beratungskontakte in der Pandemie massiv angestiegen seien. „Und die Gewaltformen haben sich verändert“, so Kraus. Es komme zunehmend zu „Date Rape“, also einer Vergewaltigung im Rahmen einer einvernehmlich eingegangenen Verabredung. Dies liege möglicherweise daran, dass solche Verabredungen pandemiebedingt mehr im Privaten stattfinden, sagte Kraus.
Auch Marlen Stadtfelder vom Verein „Frauen helfen Frauen“, der Träger des Frauenhauses ist, sagte, dass man Fallzahlen wie nie zuvor beobachte. Ihr Team habe stets versucht, eine persönliche Beratung zu ermöglichen, da viele Frauen nicht am Handy reden könnten, weil ihre Männer nebenan seien oder sie gar kein Handy besäßen. „Und auch die digitale Gewalt nimmt zu, etwa in Form von Spionage-Apps oder GPS-Peilsendern im Auto“, berichtete Stadtfelder. Hinzu kämen Platzprobleme in den Frauenhäusern aufgrund der Corona-Regeln.
Auch Aleks Suvajac vom Internationalen Frauen- und Familienzentrum beobachtete ein Ansteigen der Fälle: „Auffällig ist dabei das Erstauftreten von Gewalt in langen Beziehungen.“ Suvajac führt dieses Phänomen auf das enge Beisammensein und die fehlende Ablenkung während der Pandemie zurück.
„Frauen mit Behinderung leiden durch die Pandemie vor allem unter struktureller Gewalt, zum Beispiel, weil Behörden für sie nicht mehr gut erreichbar sind“, berichtete Sabine Wonka vom Verein Bibez, der behinderte und chronisch erkrankte Frauen und Mädchen fördert. Zudem gehöre die Zielgruppe des Vereins häufig der Corona-Risikogruppe an, weshalb nicht selten das selbstbestimmte Leben der betroffenen Frauen infrage gestellt sei. Weihrauch berichtete aus ihrem Tätigkeitsbereich an der Uniklinik, dass sie während der Pandemie festgestellt habe, dass die Kinderbetreuungsthematik noch immer Frauensache sei. „Ich dachte wirklich, wir wären da schon weiter“, so Weihrauch.
Franziska Brantner bestätigte, dass alle geschilderten Probleme und Phänomene auch auf Bundesebene zu beobachten seien. Doch trotz allem konnten die Frauenvertreterinnen auch Positives aus der Pandemie ziehen: „Bei uns engagieren sich jetzt mehr junge Frauen ehrenamtlich, und die sprühen nur so vor Ideen“, berichtete etwa Kraus. Wonka hob hervor, dass Menschen mit Behinderung von der schnell vorangetriebenen Digitalisierung in besonderem Maß profitieren würden. Und Suvajac kam ebenfalls zu einem versöhnlichen Schluss: „Wir haben gesehen, dass Krisenzeiten das Schlechteste in den Menschen hervorbringen – aber eben auch das Beste.“